Hinweis

Für dieses multimediale Reportage-Format nutzen wir neben Texten und Fotos auch Audios und Videos. Daher sollten die Lautsprecher des Systems eingeschaltet sein.

Mit dem Mausrad oder den Pfeiltasten auf der Tastatur wird die jeweils nächste Kapitelseite aufgerufen.

Durch Wischen wird die jeweils nächste Kapitelseite aufgerufen.

Los geht's

Der Hohburger Wald stirbt

Logo https://multimedia.lvz.de/hohburgerwald
Video

Der Hohburger Wald leidet zusehends unter den aktuellen Wetterkapriolen. Viele Bäume verkraften Stürme und die Trockenheit nicht, der Borkenkäfer gibt dem Wald den Rest. Revierleiter Christian Huster ruft nach Hilfe: „So gut wie alle Fichten sind bereits tot.“

von Haig Latchinian (Text), Frank Schmidt (Fotos), Gina Apitz (Produktion)

Zum Anfang

Waldsterben hohburger schweiz   christian huster 1
Christian Huster vom Sachsenforst ist schockiert über den Zustand der Bäume in der Hohburger Schweiz.
Vollbild

Erst Sturmtief Friederike, dann hohe Temperaturen, dazu monatelange Dürre. Nach und nach wird das ganze Ausmaß der verheerenden Katastrophe sichtbar. Die Bewohner des Erholungsortes erkennen ihre sonst paradiesische Hohburger Schweiz nicht mehr wieder. Ob dicht bewaldeter kleiner oder großer Berg – großflächig dominiert schon von Weitem die Farbe braun. Schock macht sich breit.

Nein, so etwas habe er noch nie erlebt, sagt Christian Huster vom Sachsenforst. Der 48-jährige Revierleiter betreut ein etwa 5500 Hektar großes Waldgebiet zwischen Dahlen und Thallwitz, von Zschorna bis Sitzenroda: „Die Fichten sind schon jetzt alle tot. Das Schlimme: Was wir auch tun, wir können den Vormarsch der Borkenkäfer nicht stoppen.“ Von der Situation fühle er sich regelrecht überrollt.

Betroffen seien nicht mehr nur die vom Sturm entwurzelten und schief stehenden Bäume: „Mittlerweile ist gerade bei Fichten der gesamte Bestand gefährdet.“ Die Baumart sei völlig überfordert. Sie gelte als der Säufer unter den Bäumen. Wegen der Nadeln brauche sie viel Wasser. „Wenn das aber fehlt, bildet sie kein Harz und wird von aggressiven Käfern aufgefressen.“ Es fehle jegliche Gegenwehr.

Waldsterben hohburger schweiz   christian huster 1
Christian Huster vom Sachsenforst ist schockiert über den Zustand der Bäume in der Hohburger Schweiz.
Schließen
Zum Anfang

Es sei etwa so, als ob man uns Menschen das Blut ablasse und in die Wildnis schicke, schüttelt der Forstmann den Kopf. Inzwischen sei das Grundwasser bis 1,80 Meter unter Normalmaß gefallen. „Da rafft es nicht nur Fichten und Lärchen dahin – mittlerweile vertrocknen in den Hohburger Bergen auch Deutsche Eiche, Buche und Birke. „Wenn das so weiter geht, pflanzen wir hier Palmen.“

Zum Anfang

Das Lachen bleibt Christian Huster im Halse stecken. Er geht davon aus, dass bei einer Gesamtfläche von etwa 700 Hektar Wald rund um Hohburg schon im Sommer bis zu 40 Hektar kahl sein werden. „Das ist mehr als alarmierend.“

Wenn er durch den Wald geht, begegnet er auf Schritt und Tritt dem Tod. Manchmal sei der auch schleichend: Bäume, die zwar noch grün sind, wüssten nur noch nicht, dass ihr letztes Stündlein bereits unmittelbar bevor steht. Ein Blick unter die Rinde genügt: „Hier das Bohrloch, dort die Rammelkammer. Da die Mutter-, hier die Larvengänge. Die ersten Eier, eine böse Sache.“

Zum Anfang

Urn binary dpa com 20090101 190524 99 364138 filed
Der Borkenkäfer frisst am liebsten totes Holz im Wald.
Vollbild

Huster hat sich mit der rasanten Ausbreitung des Borkenkäfers beschäftigt. „Ein Pärchen hat 70 Nachkommen in der ersten Generation. Das sind in der zweiten Generation schon 5000, in der dritten 350.000 und in der vierten bereits über eine Million.“ Aufgrund der Witterung habe es dieser Borkenkäfer im Vorjahr auf eben diese vier Generationen gebracht.

Für den Revierleiter ein Alptraum. Rastlos ist er unterwegs, berät die privaten Waldbesitzer. Längst hat auch er mehr Fragen als Antworten. Es nütze nichts, man dürfe nicht tatenlos zusehen. In seinem Verantwortungsbereich gebe es ungefähr 1200 Eigentümer auf bis zu 30.000 Flurstücken. Bewirtschaftete zu Ostzeiten mehr oder weniger der Staat den Forst, seien nun wieder die Inhaber der Flächen zuständig.

Viele von denen sind Rentner und müssen ihr Geld zusammen halten. Ihre Söhne arbeiten nicht selten auswärts. Hinzu kommt: Das Wissen über Forstwirtschaft wurde nicht wie in den Jahrhunderten zuvor von Generation zu Generation weitergegeben. Wozu auch? Der Staat kümmerte sich um alles. Das ist jetzt anders. „Der Forst ist in Sachsen derart kleinteilig, dass manche Flächen zwölf Meter breit aber zwei Kilometer lang sind. Die kannst du nur schwer bewirtschaften. Vor allem, wenn sie krumm sind wie ein Sensenbügel.“

17 Prozent der angeschriebenen Eigentümer konnte der Revierleiter gar nicht ermitteln. Das führt dazu, dass Totholz liegen bleibt und zum Tummelplatz für Käfer wird. Der Forstmann appelliert an die Besitzer von Wald, nach Erbfolgen und Todesfällen möglicherweise veraltete Datensätze dringend zu aktualisieren: „Nur so können wir helfen. Es gibt ja auch Fördergelder.“

Urn binary dpa com 20090101 190524 99 364138 filed
Der Borkenkäfer frisst am liebsten totes Holz im Wald.
Schließen
Zum Anfang
Zum Anfang

Waldsterben hohburger schweiz   1
Jede Menge Regen ist nötig, um dem Waldsterben rund um Hohburg entgegen zu wirken.
Vollbild

Wie alle Freunde des Waldes wartet er auf Regen, viel Regen. Das Grundwasser müsse dringend aufgefüllt werden. Ein Schauer reiche nicht annähernd: „Über dem Mineralboden aus Lehm oder Sand befindet sich noch eine bis zu 20 Zentimeter hohe Humusschicht. Also Blätter, Nadeln und ähnliches. Da kann man sich vorstellen, wie viele Gießkannen nötig wären, bis da unten auch nur ein Tropfen ankommt.“

Huster erwartet auch eine Reaktion der Gesellschaft. Ein Hektar Wald binde bis zu 20 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. „Das schafft er natürlich nur, wenn er auch gesund ist.“ Der Mensch brauche den Wald wie die Luft zum Atmen – und das nicht nur in Erholungsregionen wie der Hohburger Schweiz. Der seiner Meinung nach von Menschen gemachte Klimawandel sei längst Realität.

Hilferuf an die Adresse der Politik
Auch die Politik sei in der Pflicht. „In der deutschen Forst- und Holzwirtschaft sind 1,2 Millionen Menschen beschäftigt – und damit noch einmal 100.000 mehr als in der Autoindustrie“, sagt Huster. Mit einem Kubikmeter Holz erwirtschafte man 100 Euro Steuern. Insofern müsse es den Staat wach rütteln, wenn derzeit die Holzpreise wegen des Überangebots auf Talfahrt seien.

Huster setzt ausgerechnet auf ein 16-jähriges Mädchen, eine Schwedin, ihres Zeichens Klimaaktivistin: „Greta Thunberg hat den Ernst der Lage begriffen. Ich wünschte mir, es würden ihr noch mehr Menschen folgen. Denn so wie es jetzt läuft, kann es nicht weiter gehen. Bleiben die Niederschläge in Hohburg weiter aus, sprechen wir hier irgendwann nicht mehr von Forstwirtschaft, und ich muss umschulen.“

Waldsterben hohburger schweiz   1
Jede Menge Regen ist nötig, um dem Waldsterben rund um Hohburg entgegen zu wirken.
Schließen
Zum Anfang

"Du bist so machtlos"

Msybgdxk
Vollbild

Matthias Müller (61), Leiter des Steinarbeiterhauses, führt in den Hohburger Bergen unzählige Schüler- und Erwachsenengruppen zu den auch überregional bedeutsamen Wind- und Gletscherschliffen. Dabei betont er immer wieder, dass der kleine Berg wegen des Vorkommens des Siebenschläfers, eines nachtaktiven Nagetieres, unter Naturschutz steht. Auch ihm ist das Baumsterben nicht entgangen: „Bislang dachten wir, es trifft vor allem die Nadelhölzer.

Umso erschreckender, dass nun auch die Deutsche Eiche in bemitleidenswertem Zustand ist. Kahle Äste und Zweige deuten daraufhin, dass sie stirbt.“ Er sei in der Region geboren und aufgewachsen. „Solange ich zurückdenken kann, hatten wir nie zuvor so eine extreme Trockenheit.“ Sicher habe es schon immer Warm- und Kaltzeiten gegeben. „Aber doch nur im Zeitraum von Jahrtausenden. Und nicht wie heutzutage!“ Vor allem gebe es den guten alten Sommerregen kaum noch: „Wenn Niederschlag vorhergesagt wird, droht gleich die nächste Katastrophe. Du bist so machtlos!“

Msybgdxk
Schließen
Zum Anfang

"Wir leben vom Tourismus"

Tagx3dme
Vollbild






Uwe Weigelt, Bürgermeister der Gemeinde Lossatal, bangt um die Schönheit der Hohburger Berge: „Das Areal ist eines der größten Waldgebiete der Region. Es wäre jammerschade, wenn wir tatsächlich solch große Verluste bekämen. Jeden Baum, den wir verlieren, müssten wir mit hohem Kraftaufwand wieder neu pflanzen. Und bis der heran gewachsen ist, dauert es bekanntlich seine Zeit.“

Tourismus sei gerade in den Hohburger Bergen ein Thema. Man brauche einen intakten Wald, um auch künftig Ausflügler zu Spaziergängen anzulocken. Ein Baumsterben bedeute den Verlust an touristischer Wertigkeit. „Drücken wir die Daumen, dass sich das Wetter stabilisieren möge und es wieder mehr regnet.“

Tagx3dme
Schließen
Zum Anfang

"Die Lage ist dramatisch"

Xotwheqz
Vollbild






Der 78-jährige Rüdiger Freiherr von Schönberg, dessen Vater zu Ostzeiten entschädigungslos enteignet wurde, kaufte nach der Wende Teile des Waldes bei Hohburg zurück. Er hat einen ausgewiesenen Fachmann mit der Pflege seines Forstes beauftragt: „Die Lage ist dramatisch.

Wir haben zwar viel machen lassen, dennoch müssen an manchen Standorten immer mehr betroffene Bäume gekennzeichnet werden. Und die heute noch gesund sind, könnten morgen schon krank sein.“ Das Fällen der Bäume sei das eine. Die Neuanpflanzung das andere: Gerade letztere koste viel Geld. „Wird Eiche gepflanzt, muss auch noch ein Zaun sein, der ebenfalls alles andere als billig ist.“

Xotwheqz
Schließen
Zum Anfang
Zum Anfang
Scrollen, um weiterzulesen
Wischen, um Text einzublenden