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Oschatz89

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Viel hat sich seit der Wende vor 30 Jahren verändert. Die Redaktion der OAZ hat das Jubiläum zum Anlass genommen, noch einmal zu den Zeitungen von damals zu greifen und zu fragen: Was ist aus den Menschen und Geschichten geworden? Wie haben sich Schauplätze in der Stadt und im Umland verändert? Und wie blicken die Oschatzer heute auf das Jahr 1989 und die folgenden Jahrzehnte zurück?

Einige Antworten finden sich in dieser multimedialen Geschichte. Im ersten Teil blicken wir mit dem ehemaligen Superintendenten Martin Kupke auf die friedliche Revolution in Oschatz.

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Der November 1989 steht nicht nur in Oschatz für den Beginn einer neuen Zeit. In den Wochen bevor SED-Politbüromitglied Günter Schabowski am 9. November auf einer Pressekonferenz die folgenreichen Worte stammelte, die schließlich zum Mauerfall führten, fanden auch in Oschatz Montagsdemonstrationen und Friedensgebete statt. Letztere wurden von dem damaligen Superintendenten Martin Kupke organisiert. Am 6. November fanden 4000 Menschen den Weg zur St.-Aegidien-Kirche. Die OAZ schrieb, nachdem die Proteste vorher oft nur am Rand erwähnt wurden, ausführlich über die Gespräche.

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Die Friedliche Revolution in Oschatz

Kupke portr%c3%a4t
Martin Kupke lebt heute in der sächsischen Schweiz. Über die friedliche Revolution in Oschatz hat er drei Bücher veröffentlicht.
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Martin Kupke im Interview

Herr Kupke, kurz vor der Wende standen Sie als Superintendent in Oschatz im Zentrum des politischen Widerstandes. Unter anderem organisiserten Sie ab 1989 die Friedensgebete in der St.-Aegidien-Kirche und der Klosterkirche. Wie würden Sie die Stimmung in der Stadt beschreiben?

Die Stimmung war die gleiche wie überall in der DDR – explosiv. Die Bevölkerung war wütend, geradezu aufgebracht. Schuld daran waren natürlich die Dauerprobleme des Systems: Man fühlte sich eingesperrt und bevormundet, die wirtschaftlichen Verhältnisse waren katastrophal. Gleichzeitig flohen die Menschen massenweise über Ungarn und Österreich. Und die, die blieben, bekamen zu spüren, dass Arbeiter und Ärzte fehlten. Es war zu viel, die Leute hatten genug. Mir ging es genauso.


Haben Sie deshalb die Organisation der Friedensgebete in die Hand genommen?

In der gesamten DDR herrschte damals eine gewisse Angst, dass sich der 17. Juni wiederholen könnte. Viele fühlten sich an die aufgeladene Stimmung im Jahr 1953 erinnert, als die Proteste von der Sowjetarmee niedergeschlagen wurden und Menschen dabei starben. Damals fürchteten sich die Leute davor, auf die Straße zu gehen und niedergeknüppelt zu werden. Und auch '89 war klar: Die Lage kann jederzeit kippen. Und ja, aus dieser Situation heraus kam es zu den Friedensgebeten – wir wollten nicht, dass wieder alles in Gewalt endet.


Haben Sie damals schon erahnt, wie sich die Dinge entwickeln würden?

Ab einem bestimmten Zeitpunkt, ja. Das war der 6. November, als sich 2000 Menschen in der Aegidienkirche einfanden und noch einmal 2000 vor den Türen standen. Damit alle mithören konnten, haben wir mit Lautsprecher übertragen und die ganze Stadt beschallt. Die Leute in der Nähe haben ihre Fenster aufgerissen, um etwas mitzubekommen. Warum? Wir hatten die staatlichen Vertreter der Stadt eingeladen. Und sie waren gekommen. Das erste Mal nun saßen sie auf der Anklagebank und mussten sich den Fragen der wütenden Menge stellen. Da wurde dann jedermann klar: Ab jetzt wird etwas anders.

Hatten Sie nicht Angst, dass die Lage in der Kirche eskaliert?

Ich hatte als Gesprächsleiter alle Hände voll zu tun, eine sachliche und friedliche Diskussion zustande zu bringen. Natürlich, 2000 wütende Menschen, das war ein brodelnder Kessel, das hätte schief gehen können. Die Parteimitglieder hatten auch die Hosen voll. So einer Situation waren sie ja noch nie ausgesetzt gewesen. Ich war mir dessen aber bewusst und habe mich demnach vorbereitet. Und weil ich auf die Oschatzer einen gewissen Einfluss hatte, ist alles geordnet geblieben.

Fürchteten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt selbst verhaftet zu werden?

Persönlich hatte ich keine große Angst. Aber natürlich schwebte im Hintergrund immer die Frage: Kippt das noch mal? Denn wenn es gekippt wäre, dann wären wir dran gewesen. Das war uns bewusst und das haben wir in Kauf genommen.

Drei Tage später fand die legendäre Pressekonferenz statt, auf der Informationssekretär Günter Schabowski die berühmten Sätze zur neuen Ausreiseregelung stammelte.

Ja, und damit war für viele eine wichtige Forderung schon erfüllt. Danach war erst Mal die Luft raus. Aber die Entwicklung ließ sich nicht mehr aufhalten. Wir haben bis zum Advent mit den Treffen weitergemacht und im Januar wieder angefangen. Nach der Wahl war dann aber für mich Schluss. Ich hab' immer gesagt: Ich fühle mich als Geburtshelfer einer neuen Zeit. Aber wenn das Kind geboren ist, besinne ich mich wieder auf meine eigentlichen Aufgaben.

Interview: Hanna Gerwig

Foto: Günther Hunger

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Martin Kupke lebt heute in der sächsischen Schweiz. Über die friedliche Revolution in Oschatz hat er drei Bücher veröffentlicht.
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Vier Generationen. Martin Kupke mit Sohn, dem Mann seiner Enkeltochter und einem ersten Urenkel. Foto: privat

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Nach dem Fall der Mauer gingen die Montagsrunden weiter. Bis zur Volkskammerwahl 1990 blieb Martin Kupke aktiv und moderierte den Runden Tisch in Oschatz. Danach blieb er Superintendent in Oschatz.

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Die Teile wurden dabei dem Monat zugeordnet, in dem der Originalartikel vor 30 Jahren in der Zeitung stand. Bereits erschienen sind:



Teil eins, November: Die friedliche Revolution in Oschatz. Der ehemalige Superintendent Martin Kupke erzählt von den Entwicklungen im November 1989.

Teil zwei, Juni: Elfriede Herrmann und der Sport in der DDR. Die Oschatzer Turngröße erzählt, was sich im Sport seit der Wende verändert hat.

Teil drei, Mai: Peter Noack und sein erster Trabant. Der Riesaer erzählt uns von seiner Liebe zu einem Automobil "Made in GDR".

Teil vier, Oktober: Gabi und Roland Fischer nehmen uns mit ins Neubaugebiet in Oschatz-West, das im Oktober 1989 noch im Bau war.

Teil fünf, August: Wilfried Queißer erinnert sich, wie er das Oschatzer Glasseidenwerk vor der Abwicklung rettete.

Teil sechs, April: Frank Voigtländer beschreibt uns hinter dem Tresen der Diskothek Halli Galli in Kleinpelsen, wie sich das Feiern in der ländlichen Region über die Jahre verändert hat.

Teil sieben, September: Gabi Liebegall hat die Wende in Oschatz journalistisch begleitet. Änderte sich ihre Arbeit nach dem Mauerfall?

Teil acht, Februar: Jörg Petzold, Präsident des Dahlener Carneval Vereins, erinnert sich an die Anfänge der Narren in der Heidestadt kurz nach der Wende.

Teil neun, März: Oberbürgermeister Andreas Kretschmar erzählt zum Abschluss, wie er die Zeit der Wende vor 30 Jahren erlebt hat und wie sich die Stadt bis zum heutigen Tag entwickelt hat.

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Idee und Konzeption: Hanna Gerwig und Manuel Niemann

Texte: Hanna Gerwig, Manuel Niemann

Videos/ Audios: privat, DDR-Fernsehen, Hanna Gerwig,  Manuel Niemann
Bilder: Günther Hunger, Dirk Hunger, Dahlener Carnevals Club, Hanna Gerwig, Manuel Niemann, privat

Titelcollage: Patrick Moye
Redaktion und Beratung: Gina Apitz

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Kapitel 1

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Kapitel 3

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