Ungewohnt - wohnen, wo andere staunen Auf dem Land leben und arbeiten
Drei Zimmer, Küche, Bad – das reicht manchen Menschen in und um Leipzig nicht aus. Sie haben sich ein Heim geschaffen, das alles andere als gewöhnlich ist. Die Serie „Ungewohnt“ gibt Einblicke in sieben ganz besondere Häuser. Der fünfte Teil: ein abgelegener Vierseithof.
Umgeben von Natur
Eingebettet in die grünen Hügel des Altenburger Landes liegt an einer Landstraße, versteckt hinter Bäumen, ein alter Vierseithof – das Rittergut Schwanditz der Familie Junghannß/Grimm.
Über eine schmale Einfahrt erreicht man den Innenhof des Gebäudeensembles, das, an vier Seiten geschlossen, dem Areal seinen Namen gibt. Schwanditz, das liegt etwa neun Kilometer östlich von Altenburg und rund 25 Kilometer von Gera entfernt. Drum herum nur einige kleine Dörfer und ganz viel Natur.
Tierisches Vergnügen
Tierisches Vergnügen
„Erstmalig erwähnt wurde der Hof 1152“, erzählt Hausherrin Ute Grimm. „Anzunehmen ist aber, dass der Hof noch viel älter ist.“ Eine Scheune, erbaut 1906, die heute als Lager für alles benutzt wird, ein ehemaliger Pferdestall, das Wohnhaus der Familie aus dem Jahr 1820, das alte Pächterhaus und der ehemalige Kuhstall bilden das ehrwürdige Anwesen, das seit 1940 in Familienbesitz ist.
„Der Vater meines Schwiegervaters, Johannes Junghannß, hat es vom letzten hier lebenden Baron gekauft“, so Grimm. Zu dem Anwesen gehören drei Teiche, in denen auch heute noch Fische leben. Auf den grünen Wiesen hinter dem Hof leben Hühner sowie die Esel Franz und Ida. Insgesamt acht Kühe gehören noch zum Hof. Der landwirtschaftliche Haupterwerb kommt nicht etwa von den Tieren, sondern vom Anbau von Weizen, Gerste, Zuckerrüben, Raps, Kartoffeln, Kamille, Mais und Kartoffeln.
Wohnen und arbeiten
Wohnen und arbeiten
Die Familie Junghannß/Grimm, zu der neben Ute Grimm und Jürgen Junghannß auch drei Kinder gehören, weiß um den historischen Schatz, den sie bewohnt und bewirtschaftet. „Wir sind in der fast tausendjährigen Geschichte des Guts nur kleine Lichter.“ Daher ist es ihnen ein Anliegen, die Geschichte des Hofes aufrecht zu erhalten, sie den Besuchern zu vermitteln und stets weiterzuerzählen.
Denn neben dem Landwirtschaftsbetrieb, den die Familie auf rund 240 Hektar Land betreibt, sind es auch Feriengäste – Familien und Schulklassen, die sie hier beherbergen. „Die erste Ferienwohnung hat meine Schwiegermutter hier 1993 eröffnet“, so Ute Grimm. „Zum einen war es natürlich eine Möglichkeit, um Geld zu verdienen. Aber eben auch, um den Leuten zu zeigen, wie das Leben auf einem Bauernhof aussieht und woher die Produkte kommen, die wir täglich essen und benötigen.“ Mittlerweile gibt es drei Ferienwohnungen im ehemaligen Pächterhaus. „Dort hat zu früheren Zeiten – wie der Name schon sagt – der Pächter des Gutes gelebt.“
In dem Haus, in dem die Familie ihren Lebensmittelpunkt gefunden hat, lebte früher der Baron. „Das haben die Schwiegereltern nach der Wende als erstes renoviert und auf Vordermann gebracht.“ Denn auch wenn der Hof seit 1940 auf dem Papier der Familie Junghannß gehört, gab es dazwischen doch eine Zeit, in der die Familie nicht auf dem Hof gelebt hat. „1953 musste der Urgroßvater den Hof verlassen, weil er nicht in die LPG eintreten wollte.“ Aufgrund der dazugehörigen Fläche gab es allerdings keine Enteignung, sodass die Familie nach der Wende auf den Hof zurückkehren konnte. Seitdem ist hier eine Menge passiert. Der letzte Meilenstein ist erst vor kurzem fertig geworden. Das größte Gebäude, der ehemalige Kuhstall, der gegenüber vom Wohnhaus steht, erstrahlt seit wenigen Wochen in neuem Glanz. „Hier können ab sofort auch Schulklassen übernachten.“
Ohne Moos nix los
Ohne Moos nix los
Über eine Holztreppe geht es in das obere Geschoss des Gebäudes. Neben einem großen Aufenthaltsraum führt nun eine Tür zum restaurierten Laubengang, von dem die Zimmer für Schüler und Betreuer abgehen. „Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1760 und hat den längsten Laubengang in Thüringen“, sagt die 47-Jährige nicht ohne Stolz.
Dank Fördergeldern und dem Mut zu großen Investitionen wurde der Komplex komplett neu aufgebaut. Auch dazu, so betont Grimm, müsse man als Gutsherr heutzutage bereit sein. Denn nur mit finanziellen Mitteln sei es möglich, alles in Schuss zu halten.
Die nächste Generation
Die nächste Generation
Vom Laubengang aus, der mit farbenfroh bepflanzten Blumenkästen behangen ist, hat man eine tolle Aussicht über den gesamten Vierseithof. „Jeder Zentimeter ist Geschichte. Genauso sehr, wie wir das Leben hier genießen, wissen wir auch um die große Verantwortung“, sagt Grimm. „Wir spüren hier so viel Vergangenheit.“ So kommt es schon ab und an mal vor, dass sie beim Umpflügen oder anderen Erdarbeiten Knochenteile finden.
Auch wenn Ute Grimm und Jürgen Junghannß die Zügel noch einige Jahre in den Händen halten werden, steht die nächste Generation in den Startlöchern und ist breit, sich der langen Geschichte des Schwanditzer Gutes anzunehmen. „Unser Sohn Otto möchte Agrarwissenschaften studieren und dann irgendwann einmal den Hof übernehmen.“
Video-Interview und Text: Tatjana Kulpa
Fotos und Video: Dirk Knofe
Schnitt: Felix Ammenn (Leipzig Fernsehen)
Grafik: Patrick Moye
Themenidee: Tatjana Kulpa
Konzept und Produktion: Nathalie Helene Rippich, Gina Apitz
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