Multimedia-Serie Oschatz 1989 Teil drei: Peter Noack und sein erster Trabant
Viel hat sich seit der Wende vor 30 Jahren verändert. Die Redaktion der OAZ hat das Jubiläum zum Anlass genommen, noch einmal zu den Zeitungen von damals zu greifen und zu fragen: Was ist aus den Menschen und Geschichten geworden? Wie haben sich Schauplätze in der Stadt und im Umland verändert? Und wie blicken die Oschatzer heute auf das Jahr 1989 und die folgenden Jahrzehnte zurück?
Für den dritten Teil unserer Multimedia-Reportage zum Herbst ’89 erzählt uns Peter Noack aus Riesa von seiner Liebe zu einem Automobil "Made in GDR".
Damals ... Von einem, der den Trabi liebt
In den letzten Jahren hat sich der Trabi von der Rennpappe zum Kultauto und Sammlerstück gemausert. Peter Noack kaufte seinen ersten Trabant erst nach der Wende, als die DDR-Autos niemand mehr haben wollte. Heute verfügt er über eine beachtliche Sammlung, die er gerne ausfährt.
Baujahr 1989
Baujahr 1989
Peter Noack und seine Liebe zum Trabi
Frage: Wie verdoppelt man den Wert eines Trabi? Antwort: Indem man ihn volltankt! Und wie vervierfacht man ihn? Indem man eine Banane auf den Rücksitz legt. Witze über den Trabant, diesen Kleinwagen, der sinnbildlich für die Motorisierung der DDR-Bürgerschaft steht, tun manchmal ganz schön weh. Nicht nur, weil sie überspitzt den Nagel auf den Kopf treffen – sank der Wert eines Trabis nach der Wende doch rapide – sondern auch, weil er mit seinem Zweitaktröhren wie kein anderes Auto nach Ost-Nostalgie klingt.
Peter Noack liebt das blechernde Dröhnen, das
seine Trabi-Limousine
von sich gibt. Dabei schaffte sich der Filmproduzent und Schauspieler aus Riesa seinen ersten Wagen erst kurz nach der Wende an. Nicht, weil er keinen gewollt hätte – sondern weil ihm die Wartezeiten schlicht zu lang waren. Rund 14 Jahre hätte er auf ein Fahrzeug warten müssen.
So kam es, dass der heute 61-Jährige erst 1990 für 400 Mark in einer Autowerkstatt in Freiberg seinen ersten Trabant erwarb – einen 601’er mit hellgrünen Dach und Sechs-Volt-Bordnetz.
Dass zu der Zeit viele Menschen aus den neuen Bundesländern ihre Ost-Autos los wurden und gegen schnellere West-Wagen eintauschten, war ihm egal. „Der fuhr ja noch“, sagt er pragmatisch. Die neue Unbeliebtheit des Trabants habe für ihn außerdem den Vorteil gehabt, dass er Ersatzteile kostenlos über Freunde erhalten habe.„Die ersten Jahre kam ich so problemlos über die Runden“, erzählt er lachend.
Wertverlust nach der Wende: Neuer Trabi günstiger als Reparatur
Drohten Reparaturen mehr als 500 Mark zu kosten, tauschte er einfach das Auto aus – manchmal alle zwei Jahre, sobald die Hauptuntersuchung anstand. Nur einmal ging er fremd: 2010 schaffte er sich einen gebrauchten Astra Caravan an, der bereits 300.000 Kilometer hinter sich hatte. „Fuhr wunderbar“, sagt Noack. Der Wagen rostete aber so stark, dass er nach einem abgelehnten TÜV auf dem Schrottplatz eines Freundes buchstäblich zusammenbrach.
In der Hinterhand hatte Noack zu der Zeit schon, natürlich, einen Trabant, Baujahr '89. Noch heute fährt er die Limousine, die in diesem Jahr das Oldtimeralter erreicht hat.
Das neue H-Kennzeichnen ermöglicht ihm auch Umweltzonen wie in Leipzig oder Halle zu befahren, was ihm etwa ermöglichen würde, dort an Festen, Umzügen oder Oldtimertreffen teilzunehmen. Erstmal jedoch stand für Peter Noack der Trabi-Treff in Glaubitz am 12. Mai an. Dort kam er mit anderen Trabifans aus der Region zusammen, um zu fachsimpeln und auszufahren. Für einige Autos ist das eine der seltenen Gelegenheiten, zu denen sie überhaupt noch aus der Garage geholt werden.
Trabi hat sich zum DDR-Kultauto gemausert
Peter Noacks Trabi dagegen ist für ihn ein Alltagsauto. „Für die 20 bis 30 Kilometer, die ich jeden Tag durch die Orte fahre, ist das wunderbar“, sagt er. Für den seltenen Fall, dass er längere Strecken über die Autobahn zurücklegen muss, greift er auf einen Leihwagen zurück. „Früher zu DDR-Zeiten gab es so viele Schlaglöcher, dass man eh langsam fahren müsste. Heute könnte ich mit meinem Trabi höchstens noch auf dem Standstreifen fahren, um die anderen Autofahrer nicht zu stören“, meint Noack.
Über ein schnelleres Auto denkt er trotzdem nicht nach, stattdessen hat er sich inzwischen eine rechte Trabantsammlung angelegt. Neben seiner Limousine, besitzt er noch einen gletscherblauen Trabant Universal und zwei Kübel.
So günstig wie noch vor einigen Jahren sind seine Fundstücke übrigens längst nicht mehr. Mittlerweile kosten intakte Modelle auf Verkaufsplattformen mehrere tausend Euro. Denn obwohl er immer noch gern als Rennpappe verspottet wird, hat der Trabi längst Kultstatus erreicht. Witze über sein Lieblingsfahrzeug, kann Peter Noack übrigens gut wegstecken.
Er hat sogar selbst einige auf Lager. Zum Beispiel: „Was ist der Unterschied zwischen einem Trabi und einem Trabi Sport?“ „Die Turnschuhe auf der Ablage.“
Text: Hanna Gerwig
Oschatz 1989 - Die Übersicht Über die folgende Übersichtsseite können Sie auf alle Geschichten zugreifen, die im Zuge der Oschatzer Wendeserie bereits veröffentlicht wurden.
Die Teile wurden dabei dem Monat zugeordnet, in dem der Originalartikel vor 30 Jahren in der Zeitung stand. Bereits erschienen sind:
Teil eins, November: Die friedliche Revolution in Oschatz. Der ehemalige Superintendent Martin Kupke erzählt von den Entwicklungen im November 1989.
Teil zwei, Juni: Elfriede Herrmann und der Sport in der DDR. Die Oschatzer Turngröße erzählt, was sich im Sport seit der Wende verändert hat.
Teil drei, Mai: Peter Noack und sein erster Trabant. Der Riesaer erzählt uns von seiner Liebe zu einem Automobil "Made in GDR".
Teil vier, Oktober: Gabi und Roland Fischer nehmen uns mit ins Neubaugebiet in Oschatz-West, das im Oktober 1989 noch im Bau war.
Teil fünf, August: Wilfried Queißer erinnert sich, wie er das Oschatzer Glasseidenwerk vor der Abwicklung rettete.
Teil sechs, April: Frank Voigtländer beschreibt uns hinter dem Tresen der
Diskothek Halli Galli in Kleinpelsen, wie sich das Feiern in der ländlichen Region über die Jahre verändert hat.
Teil sieben, September: Gabi Liebegall hat die Wende in Oschatz journalistisch begleitet. Änderte sich ihre Arbeit nach dem Mauerfall?
Teil acht, Februar: Jörg Petzold, Präsident des Dahlener Carneval Vereins, erinnert sich an die Anfänge der Narren in der Heidestadt kurz nach der Wende.
Teil neun, März: Oberbürgermeister Andreas Kretschmar erzählt zum Abschluss, wie er die Zeit der Wende vor 30 Jahren erlebt hat und wie
sich die Stadt bis zum heutigen Tag entwickelt hat.
Wendegeschichten aus Oschatz Mit ausdrücklichem Dank an alle Interviewpartner aus Oschatz und Umgebung.
Idee und Konzeption: Hanna Gerwig und Manuel Niemann
Texte: Hanna Gerwig, Manuel Niemann
Videos/ Audios: privat, DDR-Fernsehen, Hanna Gerwig,
Manuel Niemann
Bilder: Günther Hunger, Dirk Hunger, Dahlener Carnevals Club,
Hanna Gerwig, Manuel Niemann, privat
Titelcollage: Patrick Moye
Redaktion und Beratung: Gina Apitz
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