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Zu Besuch im Tattoocafé in Leipzig-Connewitz

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Cafés schießen in Leipzig derzeit wie Pilze aus dem Boden. In allen Ecken der Stadt eröffnen neue Läden, die Kuchen und Kaffee im Angebot haben. Doch einige davon bieten mehr als das. Im Tattoo-Café in Connewitz können Gäste erst einen Kaffee trinken – und sich später ihr Lieblingsmotiv in die Haut stechen lassen.

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Der Franzose Nicolas Rousseau betreibt gemeinsam mit seiner Freundin das Tattoo-Café in Connewitz.
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Gelbe Polstersessel, ein bunt gemusterter Teppich, eine Blume auf dem Tisch – wer einen Blick in das Connewitzer Tattoo-Café „Unkraut“ wirft, denkt, er steht im Wohnzimmer der eigenen Großmutter. Erst bei näherem Hinsehen entdeckt der Besucher die zahlreichen Skizzen an den Wänden, die so gar nicht an Omas Wohnstube erinnern. Und dann sind da noch die surrenden Geräusche der Tätowier-Maschinen.

Nicolas Rousseau kommt aus dem hinteren Teil des Ladens in den vorderen Raum gestapft, der als Café dient. Glatze, Vollbart mit grauen Strähnen, ein großer Ring baumelt an einem Ohrläppchen. Drei schwarze Tränen sind unter seinem rechten Auge zu sehen, noch mehr Tattoos auf Armen und Oberkörper. Vor zwei Jahren übernahm der gebürtige Franzose zusammen mit seiner aus Leipzig stammenden Freundin Luzie das Studio in der Wolfgang-Heinze-Straße. Das Paar hat zwei Kinder, reiste zuvor im Wohnmobil um die Welt – und hatte eigentlich kein Geld für so ein Projekt.

Eine Crowdfunding-Aktion verschaffte den beiden die nötigen Mittel: Die Möbel kauften sie auf dem Flohmarkt, einige bekamen sie geschenkt, den Tresen zimmerten sie selbst zusammen. „Wir wollen nicht nur Tattoo machen“, sagt Rousseau mit unverkennbar französischem Akzent. „Es soll ein Platz sein, wo die Leute sich treffen können.“ Seither kann man sich im „Unkraut“ tätowieren lassen oder einfach auf einen Kaffee vorbeischauen, ohne eine Nadel an seinen Körper zu lassen.

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Der Franzose Nicolas Rousseau betreibt gemeinsam mit seiner Freundin das Tattoo-Café in Connewitz.
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Der Ort ist nicht nur ein Tattoo-Studio, in dem man mit einem Heißgetränk die Wartezeit überbrückt, sondern soll ein neuer Treffpunkt im Viertel werden. „Die Leute sollen sich wie Zuhause fühlen“, sagt Rousseau.

Deshalb sucht man hier vergeblich Totenköpfe oder andere gruselige Motive. Der 39-Jährige wünscht sich eine „familiäre Atmosphäre“, in der sich auch ältere Menschen wohlfühlen. Immerhin ließen sich schon 60-Jährige von ihm ein Tattoo stechen.

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Chef Nicolas Rousseau und Tätowiererin Marie-Luise Thurm über das Projekt und die Gäste des "Tattoo-Cafés"

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Menschen, die ihm wichtig sind, lässt Nicolas Rousseau auch an seine Haut: Seine Freundin und sein Bruder haben ihn schon tätowiert. Sie stach einen Fisch, er den Schriftzug „errance“, was auf französisch soviel wie „umher schlendern“ bedeutet.

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An diesem Nachmittag hocken ein paar Leute auf der abgeranzten Couch, blättern durch ein Skizzenbuch, quatschen, im Hintergrund dudelt Musik. Eine Tasse hausgemachten Filterkaffee gibt es gegen eine Spende.

Auch Sebastian schaut heute im „Unkraut“ vorbei, er ist Stammgast in dem kleinen Café, kommt öfter auf ein Bierchen her. Diesmal wird Nicolas Rousseau sein Skarabäus-Tattoo weiter stechen. Es soll eine Jugendsünde verdecken.

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Marie-Luise Thurm arbeitet als Tätowiererin im „Unkraut“.
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Sebastian verkauft Brote in der benachbarten Naturbackstube und findet die Kombi aus Café und Tattoostudio „eine sehr, sehr schöne Idee“. Bisher habe er hier nur „liebe Leute“ getroffen, so der Connewitzer. Zu den Nachbarn im Viertel habe man engen Kontakt, sagt auch Rousseau. „Die Straße hier ist sehr gut vernetzt.“

„Es ist immer viel Trubel. Das muss man mögen“, sagt Marie-Luise Thurm. Die 25-Jährige zog vergangenes Jahr von Jena nach Leipzig und ist jetzt eine von vier selbstständigen Tätowierern, die im „Unkraut“ arbeiten. Es gefällt ihr, dass es hier keinen richtigen Chef gibt. Entschieden wird im Kollektiv. Auch feste Öffnungszeiten fehlen bisher. Es sei aber jeden Tag jemand da, außer sonntags, versichert sie.

Ab und zu veranstalten die Tätowierer kleine Konzerte in ihrem Studio, organisieren Ausstellungen, Lesungen und offene Buffets, bei denen gegen eine Spende zusammen gegessen wird. Dann vergrößern sie ihr „Wohnzimmer“, in dem die Regale an die Wand geschoben werden. Auf diese Weise finden auch mal 30 Menschen hier Platz. Wer seinen Geburtstag im „Unkraut“ feiern will, kann einfach anfragen. Rousseau betont: „Der Raum ist ein offener Treff.“

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Marie-Luise Thurm arbeitet als Tätowiererin im „Unkraut“.
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Nicolas Rousseau über die Bedeutung des Namens "Unkraut" für sein Café.

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Ort:
Wolfgang-Heinze-Straße 21

Öffnungszeiten:
Eigentlich jeden Tag, nur sonntags ist geschlossen

Preise:
Kaffee und Tee gegen eine Spende

Fazit:
Wer einen Ort für einen gemütlichen Plausch mit gutem Kaffee in Connewitz sucht, ist im Tattoo-Café richtig. Und wer weiß: Vielleicht geht der Gast mit neuem Körperschmuck nach Hause.

https://www.facebook.com/UNKRAUTlamauvaiseherbe/






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Teil 5 der Serie über besondere Cafés in Leipzig.

Fotos und Videodreh: Dirk Knofe
Schnitt: Felix Ammenn (Leipzig Fernsehen)
Texte, Video-Interviews, Produktion: Gina Apitz

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