Mein Viertel Reudnitz: Kult-Biergarten und Regina-Palast
Auf Streifzug durch den Kiez: In der Serie „Mein Viertel“ führen Leipziger durch ihren Stadtteil, zeigen Lieblingsplätze und Schandflecken. In Teil 7 spaziert LVZ-Volontär Christian Neffe durch sein Reudnitz.
Zuhause in Reudnitz
Zuhause in Reudnitz
Kein klassisches Szeneviertel
Als ich 2009 nach Leipzig zog, war meine erste Station Stötteritz. Ein tolles Viertel, keine Frage. Trotzdem musste ich ein halbes Jahr später umziehen. Bis zum Semesterbeginn blieben mir nur noch wenige Tage. Mehr aus Not als aus Ortskenntnis heraus verschlug es mich nach Reudnitz. Schlicht deshalb, weil ich dort spontan eine bezahlbare Unterkunft fand. Im Nachhinein ein echter Glückstreffer. Denn dort lebe ich bis heute – und habe das nie bereut.
Reudnitz ist kein klassisches
Szeneviertel: Es gibt keine Kneipenmeile wie die
Karl-Liebknecht-Straße, keine Künstler-Hochburg wie das Westwerk.
Auch keine historischen Sehenswürdigkeiten wie das Gohliser
Schlösschen oder das Völkerschlachtdenkmal. In Reudnitz lebe ich mitten in der Großstadt - es fühlt sich aber nicht so an.
Ecke Dresdner Straße / Weidmannstraße. Links: Mitte der 1980er (Foto: Bert Hähne); Rechts: 2018
Zur Geschichte von Reudnitz
Reudnitz wurde erstmals 1248 als Dorf
urkundlich erwähnt und 1525 vom Rat der Stadt Leipzig gekauft.
Fortan ließen viele reiche Bürger dort
Landhäuser errichten. 1889 wurde das Viertel schließlich
nach Leipzig eingemeindet.
In den 1990ern war es als Nazi-Hochburg verschrien
(„Reudnitzer Rechte“). Davon ist heute nichts mehr zu spüren –
nachlesen kann man dieses Kapitel aber im Roman „Als wir träumten“
des Reudnitzer Schriftstellers Clemens Meyer. Unter Regisseur Andreas
Dresen ist 2015 daraus auch ein ziemlich guter Film entstanden.
Entspannen im Grünen
Heute kann man abseits der großen
Hauptstraßen problemlos Ruhe im Grünen finden. Allein im Bereich
der Dresdner Straße gibt es vier Parkanlagen in wenigen Minuten
Laufweite.
Darunter der Lene-Voigt-Park, der – sobald die
Temperaturen die 15-Grad-Marke überschreiten – von unzähligen
Menschen geflutet wird, die die Fläche zum Grillen, Spielen,
Musikmachen oder einfach zum Entspannen nutzen.
Ein Viertel im Wandel
Es lässt sich nicht leugnen, dass die
allgegenwärtigen Probleme einer Großstadt auch in Reudnitz spür-
und sichtbar sind: Parkplatzmangel, Verkehrslärm, vermüllte Ecken,
Hundekot auf den baufälligen Fußwegen.
Doch Reudnitz ist ein
Leipziger Viertel, das symptomatisch für die Entwicklung der
gesamten Stadt steht: Überall wird gebaut, überall findet
Veränderung statt. Das Viertel lebt und atmet. Ständig eröffnen
neue, mal konventionelle, mal ungewöhnliche Geschäfte. Wer nach
einigen Wochen Wartezeit einen Spaziergang wagt, wird von einem
afrikanischen Restaurant, einem kanadischen Café oder einer
DIY-Parfümerie überrascht. Genau so schnell verschwinden einige
dieser Läden dann auch wieder.
Was fehlt?
Was fehlt, sind – besonders nach
der Schließung der Kultkneipe „4Rooms“ – Räume für Konzerte
oder Partys. Größere Bühnen oder Räumlichkeiten? Fehlanzeige. Wie gesagt: Reudnitz ist kein Szeneviertel.
Und trotzdem gibt es diese kleinen Leuchtturmprojekte. Orte, an denen man den Tag entspannt ausklingen lassen kann. Orte, an denen man Musik und Kultur im kleinen Kreis findet. Orte, die das Leben in diesem Viertel lebenswert machen.
Substanz für das Viertel
Eines dieser Leuchtturmprojekte ist der kultige Biergarten "Substanz". Der steht seit acht Jahren unter der Leitung von Jörg Staudt. An Sommertagen ist der lauschige Garten bestens gefüllt. Die Reudnitzer treffen sich hier bei Bier und Burger.
Für Staudt ist Reudnitz - zusammen mit der Eisenbahnstraße - das Leipziger Viertel, das derzeit für Immobilienspekulanten von besonderem Interesse ist.
Jörg Staudt im Interview #1
Jörg Staudt berichtet davon, wie sich das Viertel entwickelt hat.
Jörg Staudt im Interview #2
Jörg Staudt gibt einen Ausblick auf die potenzielle Zukunft des Viertels.
Nachbarschaftsprojekt Dresdner 59
Mitten in Reudnitz befindet sich das Nachbarschaftsprojekt „Dresdner 59“. Gemeinschaftliches Kaffeetrinken und Kochen, Sprachkurse, Flohmärkte, Workshops und Vorträge – die Dreifaltigkeitskirchgemeinde Leipzig und die Diakonie haben dort ein soziales und kulturelles Zentrum etabliert, in dem jedem etwas geboten wird.
http://www.dresdner59.de/
Kultur zum kleinen Preis: Der Regina Palast
Nur wenig Meter daneben bekommt man beim "Oliven Baum" nicht nur den besten Döner der Stadt, sondern auch große
Blockbuster zum kleinen Preis: Das Kino „Regina Palast“ lockt
nach der unlängst abgeschlossenen Renovierung mit stilvollem
Ambiente, vielfältigem Programm und moderaten Eintrittspreisen. Für
Reudnitzer Film-Enthusiasten der wohl wichtigste Ort des Viertels. Dort versorgt der fast schon legendäre Hans Höher die Gäste seit Jahren nicht nur mit Eis, sondern auch mit viel Humor.
Vorboten der Gentrifizierung
In Reudnitz kann man gut und
(noch) günstig leben. Das könnte sich bald ändern: Sanierungen,
Reihenhäuser und steigende Mieten sind Vorboten einer
Gentrifizierung, die sich wohl bald auch zwischen
Dresdner Straße, Ostplatz und Riebeckstraße deutlich
bemerkbar machen wird.
Bis dahin aber bleibt Reudnitz ein Viertel,
das ich mit großer Freude meine Heimat nennen darf.
Texte, Videointerviews
und Produktion: Christian Neffe
Fotos und Videodreh: Dirk Knofe, André Kempner
Logo und Animation: Patrick Moye
Schnitt: Leipzig Fernsehen
Konzept: Gina Apitz
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Serie "Mein Viertel"
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