Ungewohnt - wohnen, wo andere staunen Die Brennerei im Schlosspark
Drei Zimmer, Küche, Bad – das reicht manchen Menschen in und um Leipzig nicht aus. Sie haben sich ein Heim geschaffen, das alles andere als gewöhnlich ist. Die multimediale Serie „Ungewohnt“ gibt Einblicke in sieben ganz besondere Häuser. Der zweite Teil: eine alte Brennerei im Lampertswalder Schlossgarten.
Historische Idylle
Ein Spaziergang durch den Schlosspark von Lampertswalde. Vorbei am alten Gärtnerhaus, am alten Gefängnis, dem Burg-Café, am Turm zum Vier-Jahreszeiten-Garten. Ob Frühling oder Sommer, wenn die Blumen blühen, der Park im Herbst in tausenden Farben versinkt oder im Winter, wenn der Wallgraben zur Schlittschuhbahn wird – schnell ist klar: Hier lässt es sich wohnen.
Und vielleicht sogar arbeiten. Mittendrin, gleich gegenüber des Herrenhauses, steht die alte Schnapsbrennerei. Dort hat sich der Schweizer Künstler René Dünki niedergelassen.
Ganz anders als in der Stadt
Ganz anders als in der Stadt
Es wird dunkel. Die Nächte in Lampertswalde (Gemeinde Cavertitz, Landkreis Nordsachsen) seien tiefschwarz, „zu hören ist dann außer den Tieren nichts“, sagt Renè Dünki, „ganz anders als in der Stadt“. Der Künstler, der sein Domizil auf der Lampertswalder Schloss-Anlage gefunden hat, ist voller Tatendrang: Zum Frühjahr will er sein Atelier im unteren Stockwerk des Hauses – im alten Kreuzgewölbe – fertig saniert und eingerichtet haben. Öffnen will Dünki dann einmal im Monat für Besucher – „ob jemand kommt oder nicht", sagt der 45-Jährige und lacht.
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Erst Camping, dann Haus
Erst Camping, dann Haus
Bevor Dünki nach Lampertswalde zog, lebte er in Rechau bei Oschatz, war aber schon oft im Park. Mit dem Oschatzer Ensemble „Theatre de Luna“ ist er im ehemaligen Rittergut aufgetreten und hat mit dem Wohnwagen in der Parkanlage campiert. Bei einem Spaziergang sei ihm das Schild „Zu Verkaufen“ an der alten Brennerei aufgefallen. „Da war für mich klar: Hier will ich her!“ Seit Frühling 2016 ist der Maler jetzt hier und immer noch überzeugt von seiner Wahl.
Zu fünft mit Hund und Katz
Zu fünft mit Hund und Katz
„Die alten Schlossherren haben
den Platz
nicht umsonst gewählt“, sagt Dünki im Schweizer Dialekt. Kaum verwunderlich also, dass auch er und seine Familie sich wohlfühlen. Sie bewohnen das obere der beiden Stockwerke einer ehemaligen Schnapsbrennerei. Ein schmaler Aufgang an der Außenseite des Hauses führt vom Hof in die Wohnung. Wenn alle zu Hause sind, leben fünf Menschen, Katze Putzi und Hund Katara unter einem Dach. Aber heute sind nur René Dünki mit Lebensgefährtin Ilka Naumann und ihrer Tochter Louise Naumann zu Hause und führen durch die Räume.
Was wird in 100 Jahren sein?
Was wird in 100 Jahren sein?
"Die Menschen in 100 Jahren werden nicht auf unsere Zeit zurückschauen und staunen, wie toll wir gebaut haben", sagt Dünki während er durch das Kreuzgewölbe schlendert und immer wieder begeistert an die Decke schaut. Es gehe mehr darum, „dass wir die alten Bauwerke erhalten“.
Dazu hat Dünki in den zukünftigen Räumen des Ateliers den Torbogen geöffnet, nach dem Bau eingezogene Mauern und Zwischendecken entfernt sowie den Fußboden und die Elektrizität erneuert. Er will den Zustand wiederherstellen, den sich der Erbauer ursprünglich erdacht hatte. „Das Ziel ist, alles selbst zu machen.“
Erwachen des Schlossparks
Erwachen des Schlossparks
Aber nicht nur das eigene Haus hat für den Schweizer Bedeutung. Mit dem Verein „Schätze und Plätze“ versuche er den Schlosspark noch interessanter zu machen, ihn zu sanieren und zu konservieren. So wurden beispielsweise in den Jahren 1991 bis 1994 die Parkanlage wieder hergestellt, der Wallgraben mit Wasser gefüllt, die Mauern neu aufgebaut und Gebäude restauriert. 2007 eröffnete im ehemaligen Palmenhaus sogar ein Burgcafé.
Neben diesen Aktivitäten ist René Dünki aber vor allem Künstler. Vorwiegend sei er in der Malerei tätig. Ab und zu habe er auch schon mit Holz gearbeitet oder etwas geschweißt. Sein Thema „Farben und Formen“ passe da wunderbar in alle drei Bereiche.
Pläne schmieden
Pläne schmieden
Dieses hat Dünki schon im Rahmen von Ganztagsangeboten an Schulen umgesetzt. „Das ist aber etwas weniger geworden“, sagt er. Damit es wieder mehr wird, will der Künstler auch Schulklassen in sein Atelier einladen. Dann am besten für eine ganze Woche. So will er den Kindern unter anderem zeigen, wie man Farben selbst herstellen kann, auch aus Natur-Materialien, die zuvor in der Umgebung gesammelt werden. Lampertswalde scheint dafür der geeignete Ort zu sein. Momentan wohnt René Dünki mit seiner Familie im Schlosspark, um später hier zu arbeiten. Vielleicht ist es aber auch umgekehrt.
Video-Interview und Text: Mathias Schönknecht
Fotos und Videos: Dirk Knofe
Schnitt: Felix Ammenn (Leipzig Fernsehen)
Grafik: Patrick Moye
Themenidee: Tatjana Kulpa
Konzept und Produktion: Nathalie Helene Rippich, Gina Apitz
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