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Wohnen in der Kirche in Riesa

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Drei Zimmer, Küche, Bad – das reicht manchen Menschen in und um Leipzig nicht aus. Sie haben sich ein Heim geschaffen, das alles andere als gewöhnlich ist. Die multimediale Serie „Ungewohnt“ gibt Einblicke in sieben ganz besondere Häuser. Der sechste Teil: Wohnen in der eigenen Kirche.

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Ulrich Dombrowsky hat einen kurzen Arbeitsweg. Der katholische Pfarrer aus Riesa wohnt in seiner eigenen Kirche.
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Nur ein paar Stufen sind es vom Schlafzimmer bis zum Altar. „Wie viele habe ich nicht gezählt“, sagt Ulrich Dombrowsky, der als Pfarrer in der Riesaer Kirche Sankt Barbara tätig ist. Der Geistliche wohnt direkt in dem Gotteshaus, unter seinem Wohnzimmer befinden sich Kirchenbänke, Beichtstuhl und Altar. Der 56-Jährige sagt, die Nähe zum Arbeitsplatz habe Vorteile. Er könne auch mal schnell in Schlappen in die Kirche flitzen. „Abstand vom Beruf gewinnt man dadurch natürlich nicht“, gibt er aber gleichzeitig zu. Will er wirklich frei haben, muss Dombrowsky Kirche und Wohnung verlassen.

Hier gehts es zur 360-Grad-Ansicht von Drombowskys Wohnung in der Kirche.

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Ulrich Dombrowsky hat einen kurzen Arbeitsweg. Der katholische Pfarrer aus Riesa wohnt in seiner eigenen Kirche.
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Pfarrer Dombrowsky über das Leben in der eigenen Kirche

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Das Gebäude wurde ursprünglich als Offizierskasino errichtet.
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Zugegeben: Mit einer mittelalterlichen Dorfkirche hat das Heim des Pfarrers wenig zu tun. Erbaut wurde es Anfang des 20. Jahrhunderts als Offizierskasino für ein königliches Artillerie-Regiment. Einst trafen sich die Herren hier bei Schnaps und Zigarren, Glücksspiel gab es angeblich nicht.

Dombrowsky findet, das Jugendstilgebäude habe noch heute ein „eigenes Flair“. Einige Elemente erinnern an die ursprüngliche Nutzung, etwa das Wappen des sächsischen Königs über einer der Eingangstüren oder eine Kanonenkugel auf einem massivem Unterbau, „ein typisch militaristisches Element“, sagt der Pfarrer.

Eine davon befindet sich auf Dombrowskys Dachterrasse, die zur Wohnung gehört. Im Sommer trinkt er hier abends ab und an ein Bier, erzählt der Pfarrer. Von hier oben wandert der Blick zu benachbarten Rapsölfabrik, aus der ein muffiger Geruch herüber weht. Ob es müffelt, komme auf die Windrichtung an.

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Das Gebäude wurde ursprünglich als Offizierskasino errichtet.
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An die Terrasse schließt sich das Wohnzimmer mit Stuckdecke und Parkettfußboden an. „Nur wenige Räume sind noch im Originalzustand“, sagt der Pfarrer, dessen Dreiraumwohnung schlicht eingerichtet ist.

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Zwischen den zweckmäßigen Möbeln stehen nur wenige historische Stücke: Den Jesus am Holzkreuz, Tisch, Leuchter und eine alte Kommode übernahm er vom Vorbesitzer. Ursprünglich lebten hier ein Pfarrer und zwei Kapläne. Für ihn allein sei die Wohnung eigentlich zu groß, findet Dombrowsky. „Ich hätte sie gern ein bisschen verkleinert“. Viel Platz befördere die Tendenz, sich viel Zeug aufzustellen, sagt er und lacht.

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Im Alltag verbringt der Pfarrer abgesehen von der Kirche die meiste Zeit in seinem Arbeitszimmer („hoher Verwaltungsaufwand“) und nur wenig Zeit in seiner hellgrün gestrichenen Küche. („Ich koche selten“).

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Die Jugenstilornamente an den Türen erinnern an die alte Nutzung des Hauses.
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Der Gemeindereferent wohnt noch mit im Haus, die anderen Räume nutzt die Caritas, im Keller befinden sich die Gemeinderäume. In den 30er-Jahren übernahm die Kirche das Kasino, weil es als Offizierstreff nicht mehr benötigt wurde. Dass sie ausgerechnet den Namen der heiligen Barbara trägt, der Schutzpatronin der Artillerie, scheint kein Zufall zu sein. „Vermutlich gab es da einen Hintergedanken“, sagt der Pfarrer.

Ursprünglich war das Gebäude nur als Provisorium gedacht. Nebenan sollte eine neue Kirche errichtet werden. Doch das dafür benötigte Geld ging in der Inflation verloren. „Da war dann an einen Kirchenneubau nicht mehr zu denken.“ Heute bedauert es die Gemeinde nicht, dass es nicht mehr dazu kam. Die Bevölkerung in Riesa sei die älteste im Kreis Meißen und die Stadt schrumpfe, sagt Dombrowsky. Eine große katholische Kirche werde nicht benötigt.

Vor 28 Jahren entschied sich der aus Weinböhla bei Meißen stammende Pfarrer für das Priesterseminar, war seither in verschiedenen Städten tätig – in Chemnitz, der Oberlausitz und elf Jahre lang im Leipziger Osten in der Pfarrei Sankt Laurentius. „Ich wäre gern noch ein bisschen länger in Leipzig geblieben“, sagt er und kann das Seufzen dabei nicht ganz unterdrücken. Als ihn der Bischof vor zwei Jahren bat, die katholische Gemeinde in Riesa zu übernehmen, willigte er ein.

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Die Jugenstilornamente an den Türen erinnern an die alte Nutzung des Hauses.
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Pfarrer Dombrowsky spricht über die ursprüngliche Nutzung des Hauses und die Umwandlung in eine Kirche.

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Besonderer Beichtstuhl

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In diesem Beichtraum sitzen sich Pfarrer und Beichtender ohne Trennwand gegenüber.
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Von hier aus betreut er auch die Region Wermsdorf, ist seitdem viel im Auto unterwegs, fährt zu Gottesdiensten in Mügeln, Oschatz und Dahlen. 1250 Katholiken gibt es laut Pfarrer in Riesa, knapp eintausend rund um Wermsdorf. Ein Teil von ihnen versammelt sich regelmäßig im ehemaligen Offizierskasino.

Von draußen kaum als Kirche zu erkennen, drinnen Schick der 70er-Jahre: bunte Fensterscheiben, schlichte Holzbänke, eine kleine Orgel, für die derzeit ein Organist gesucht wird. Das Innere erinnert an moderne US-amerikanische Kirchen. Und selbst die seien oft pompöser gestaltet, sagt Dombrowsky. Eine Besonderheit ist der Beichtstuhl, oder besser die beiden Varianten davon. Jüngere Katholiken bevorzugten eher das Beichtgespräch, bei dem Pfarrer und Beichtender in einem kleinen Raum beieinander sitzen. Den älteren hingegen gefällt die anonymere Trennwand. „Beichten ist ein Stückchen zurückgegangen“, so der Seelsorger.

Hier klicken für eine 360-Grad-Aufnahme aus der Kirche.

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In diesem Beichtraum sitzen sich Pfarrer und Beichtender ohne Trennwand gegenüber.
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Dass ihm die Einrichtung der Kirche nicht sonderlich gefällt, drückt der Pfarrer recht diplomatisch aus: „In dem Augenblick, wo eine Kirche eingeweiht ist, ist der Zeitgeschmack doch schon wieder weitergereist.“ Manchmal wünsche er sich aber doch, in einem schönen alten Gebäude zu predigen. Denn: „Eine historisch gewachsene Kirche hat schon etwas.“

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Zumindest hat seine moderne Kirche einen tollen Ausblick zu bieten. Von dem kleinen Türmchen des Hauses sieht man das benachbarte Gymnasium, die Klosterkirche und einige Fabriken der Stadt. Und wer weiß, wo es den Pfarrer in einigen Jahren hin verschlägt. Etwa alle zehn Jahre kann der Geistliche den Ort wechseln, allerdings gibt es dafür keine feste Regelung. Fühlt er sich denn wohl in Riesa? Die Antwort ist wieder sehr diplomatisch: „Da wo ich Pfarrer bin, da gehöre ich hin.“

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Video-Interviews und Text:
Gina Apitz
Fotos und Videodreh: Dirk Knofe
Schnitt: Felix Ammenn (Leipzig Fernsehen)
Grafik: Patrick Moye
Themenidee: Tatjana Kulpa
Konzept und Produktion: Nathalie Helene Rippich, Gina Apitz




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